Der schweizerische Bauingenieur Heinz Isler (1926–2009) hat weit über 1.000 Schalentragwerke geplant und realisiert, die meisten davon in der Schweiz. Zu dieser Leidenschaft kam der über den Zwischenschritt eines kurzen Studiums der Kunstmalerei an der Kunstgewerbeschule Zürich, nachdem er 1950 sein Diplom als Bauingenieur gemacht hatte und bevor er 1954 in Burgdorf sein eigenes Büro eröffnete. Damals entdeckte er die Schalen – anhand von Naturbeobachtungen statt aufgrund einer Beschäftigung mit mathematischen Definitionen – und erfand die Formen und Konstruktionsweisen seiner extrem dünnwandigen, allseitig gekrümmten Dächer aus Stahlbeton. 1967 gehörte Heinz Isler dann auch dem Team von Behnisch & Partner an, erarbeitete den Zeltdachentwurf für den Wettbewerb um das Olympiagelände in München mit und war an der Realisierung des Baus, insbesondere am Stadionrund beteiligt.
Heinz Isler wurde 1983 die Ehrendoktorwürde der ETH Zürich verliehen, seine schwungvollen und filigranen Werke erfahren als Ingenieurbaukunst der Nachkriegszeit große Anerkennung. Doch die künstlerischen Aspekte erfassen nicht die ganze Komplexität des Schalenbaus: ökonomische, technik- und kulturhistorische Perspektiven vermögen es erst, dieses bauliche Phänomen fassbar zu machen. Dem hat sich nun Egor Lykov in seiner Dissertation „Das System Isler. Der Schalenbau im Schweizer Mittelland 1955–2000“ gewidmet. Egor Lykov beleuchtet den Aufstieg und den allmählichen Wandel des „Systems Isler“ von der Baupraxis zum Kulturerbe. Der Autor fokussiert dabei die Ambivalenzen zwischen Islers Selbstverständnis als Bauingenieur und dem Milieu, in dem die Schalen mitentwickelt, produziert und genutzt wurden: Islers industrielle Kundschaft, seine exklusiven Kooperationspartner und die Öffentlichkeit. (pk, 22.3.25)

Schweiz, Graubünden, Steinkirche Cazis, Architekt: Werner Schmidt, Schalenbau: Heinz Isler, 1995-2002 (Bild: Wladyslaw, CC BY-SA 3.0, 2009)